Ehrliche Tagebucheinträge: Die schwierige Zeit nach "dem Termin"

Die folgenden Textschnipsel entstanden in den für mich emotional sehr herausfordernden Tagen nach dem errechneten Termin meines Babies. Ich veröffentliche sie (und einige Handyschnappschüsse) uneditiert, weil sie in dem jeweiligen Moment direkt aus dem Herzen kamen. Allein, das zu lesen, versetzt mich zurück. Und, fuck, hat hier jemand Zwiebeln geschnitten?

Und dabei ist das Happy End, die Geburt meines Babies und meine Geburt als Zweifachmama nun knapp 14 Tage her. Und diese Geburt, die fühlte sich an, wie eine Befreiung. Und dabei war meine Schwangerschaft so komplikationslos. So schön. Bis sich mir unerklärlicher emotionaler Druck aufbaute - als eben "der Termin" vorbei war. Und ich von Fremden auf meinen Bauch angesprochen worden bin, mehrmals täglich. Was ich davor als schön empfand, fühlte sich immer mehr wie ein Versagen an. Und ich wurde oft mit Mitleid konfrontiert.

Meine Mama war bereits eine Woche vor dem Termin hier, um auf die Kleine aufzupassen, wenn es los geht. Und mir etwas zu helfen. So lieb. Wir machten es uns schön, unternahmen viel. Zu zweit, zu dritt und zu viert. Aber oft war ich lethargisch. Ich weinte viel und war wie in einem Loch gefangen. Immer, bis die Große wieder hier war. Und dann war alles gut. Bis es abends wurde. Und am schlimmsten war das Aufstehen am nächsten Tag...

Nun aber straight in dieses Gefühl...

19.08.: Nun schon vier Tage über dem errechneten Termin (ET). Dem Termin, der berechnet ist und vorgibt, jede Schwangerschaft dauert gleich lang. Totaler Quatsch. Aber doch irgendwie ein Termin, den man vorsichtig mit Bleistift notiert hat. Im Kalender und im Kopf. Nur ca. vier Prozent aller Babies kommen am ET. Ca. 50% danach und bis 42+0. Also noch etwas Zeit. Zeit dafür, dass du das Timing vorgibst. Zeit dafür, zu entspannen. 

So zumindest die Theorie. 

Die Praxis: Vier Tage über dem Termin. Und ich weine schon den ganzen Tag. Mal doll, mal ein bisschen, mal kurz nicht. Aber jederzeit laufen mir plötzlich wieder Tränen die Wange herunter. Noch ein weiterer Frauenarzttermin am Montag, danach Betreuung im Krankenhaus. Und irgendwann wird dann das Wort „Einleitung“ fallen. Und darauf, ganz ehrlich, hab ich keine Lust. Auch darauf, dass dauernd nachgefragt wird. Mitleidig irgendwie. 

Nervig irgendwie. Es baut Druck auf. Und ich kann die Situation, die ich mir doch eigentlich gewünscht habe, nicht ändern. Zimtbrötchen, scharfes Essen, Himbeerblättertee - geschenkt. 

Lange vor dem Termin war ich gar nicht bereit. Nichts war fertig, Mails und Verpflichtungen offen, keine Oma hier, die die Kleine betreut, wenn es nachts losgeht, keine Kliniktasche gepackt. Kein 40+0, keine 1,0. In meiner Logik, in meiner Situation. Aber die vier Tage jetzt. Die müssen doch echt nicht sein. Vier Tage neugierige Nachfragen, vier Tage unnötiger Druck. Vier weitere Tage eine Stunde im Café sitzend Podcast hörend. Ich hab keine Lust mehr.

Ich will dich kennenlernen, ich will dich küssen, ich will dich riechen. Und ich will, dass du dir einen Zeitpunkt aussuchst, der für dich passt. 

Aber hier geht es eben irgendwie nicht um mich. Mal hier eine Wehe, mal da. Es tut sich was. Aber scheinbar nicht genug. 

21.08.: Ich bin bereiter als bereit. Ich hab viel Zeit für letzte Fotos mit Bauch. Für Gedanken, für Tränen. Für den Glauben daran, für immer schwanger zu sein. Und mich gedanklich damit anzufreunden, die Schwangerschaft einleiten lassen zu müssen. 

23.08.: Wieder ein Frauenarzttermin, den ich so gerne nicht wahrgenommen hätte. Ich hoffe sehr auf einen geburtsbereiten Befund. Und die Wirkung des Nelkenöls, was ich im Anschluss kaufe. Dadurch habe ich wieder Hoffnung. Die Große wäre auch erst heute, 41+1, auf die Welt gekommen. Das gibt mir irgendwie Vertrauen zurück in meinen Körper.

Und ein paar Stunden später stehe ich mit einem Bein auf dem Badewannenrand gelehnt und führe mir einen Nelkenöltampon ein. Das hätte ich mir wirklich niemals vorstellen können. Na, warum nicht. Zu verlieren hab ich nichts - nur noch ein paar Nerven und Tränen mehr.

24.08.: Ich frühstücke ein Brötchen mit meiner geliebten Teewurst, Obst, Vanillequark mit Zimt und trinke Yogitee. Und ich trage einen Nelkenöltampon. Geweint hab ich auch schon. Und ein paar WhatsApp-Nachrichten beantwortet, ob das Baby denn nun „schon“ da ist. Ach - und gegooglet, welche Einleitungsvarianten es gibt. My life right now.

26.08.: Und wie das immer so ist: Man malt sich im Kopf verschiedene Szenarien aus. Welches Szenario aber vorab keine Rolle in meinen Gedanken spielte, ist es, dass (regelmäßige Geburts-) Wehen dieses Mal auch 12 Tage nach dem errechneten Termin nicht einsetzten. Und das belastet mich psychisch wirklich sehr. 

Aber vielleicht wird es weniger und besser, je näher Sonntag rückt. Der Tag, an dem ich medizinisch eingeleitet und dafür stationär aufgenommen werden würde. Allein. Und niemand weiß, wie lange es dauern wird. Und ich weiß, dass ich genau das nicht wollte. So kurz wie möglich im Krankenhaus. Das war das Ziel. Das war das Ziel.

28.08., 3:15 Uhr: Ich wache (mal wieder) mit einem dumpfen, regelschmerzähnlichem Gefühl auf. Alle sechs Minuten. Okay, krass. Aber das hatte ich jetzt schon mehrmals. Egal, wie sich das jetzt entwickelt: Ich möchte mich gern daran erinnern, dass mein Körper das kann und ich stolz auf ihn sein kann. Bravo!

Und am nächsten Morgen: Mal wieder nichts. Und wieder eine "verschenkte Nacht". Wieder einen Tag näher am Tag der Einleitung.

Zimt, Yogi-Tee, scharfes Essen, Love, Brustwarzenstimulation, Bewegung, heißes Bad, Ut-Öl, Nelkentampon, Homöopathie, Himbeerblättertee. 

Vielleicht war es zu viel, vielleicht war es zu wenig. Vielleicht, nein, ganz bestimmt, war es alles genau so richtig. So, wonach ich mich gefühlt habe. So, um Erdbeere Zeit zu geben. Bis zum Maximum. Aber jetzt, jetzt wollen wir dich endlich kennenlernen. 

29.08., 9:51, 42+0: Und jetzt fahren wir zu dem „Termin“, den ich nie haben wollte. Statt mitten in der Nacht, ungeschminkt, unter Wehen und aufgeregt, durch Berlin zu fahren, sitze ich hier nun geschminkt und mit gestylten Haaren. Angespannt, nachdenklich. Und voller Trauer, ja. Es fühlt sich nach Abschied an. Abschied auf unbestimmte Zeit. Und genau nach dem, was ich nie wollte und nie einkalkuliert habe. 

Ich habe noch etwas Gebasteltes von der Kleinen eingepackt. Und drei, vier Taschentücherpackungen. Es regnet. Und es fühlt sich eigenartig nach. Nach Tagen des Wartens geht es genau so weiter. Ich hoffe, dass es schnell geht. Und gut wird.

So gut eine stationäre Aufnahme am Sonntagmorgen allein auch sein kann.

Spoiler: Es ist gut. Es ging schnell. Und ich bin über mich hinausgewachsen.