Eure Kinderwunsch-Geschichte XIII: Auch das Schwangerwerden mit einem zweiten Kind ist nicht selbstverständlich.

Die Verfasserin des Textes möchte gern anonym bleiben.

Liebe Leser/innen da draußen! Ich möchte euch von meiner Geschichte erzählen, weil schreiben und lesen einander näher bringt und doch irgendwie auch befreit.

Unsere Geschichte beginnt mit unserer Hochzeit im August 2017. Eigentlich schon weit vor unserer Hochzeit war mir und meinem Ehemann klar, dass wir zwei, ja am liebsten, drei Kinder haben möchten. In meinen Träumen und Fantasien, die ich bereits als junge Erwachsene hatte, wollte ich mein erstes Kind mit Ende 20 haben und dann am liebsten in kurzen Abständen das zweite und mit Glück auch das dritte Kind. Ich weiß, solche Fantasien und Träume sind oft durch eine rosa Brille geträumt und oft kommt es eh anders als man denkt. Und ja und so kam es auch bei uns.

Ich wurde sofort schwanger.

Mein erster Traumgedanke jedoch ging sehr rasch in Erfüllung: Ich wurde nach zwei Monaten schwanger. Und brachte neun Monate später eine gesunde Tochter zur Welt. Wir waren überglücklich und ganz besonders waren wir dankbar. So hatte sich doch einfach alles in unserem Leben bisher so fabelhaft gefügt: Hauskauf, Hochzeit und kurz darauf Nachwuchs. Wir gehen keinesfalls blauäugig durch das Leben und sind uns unserem Glück immer bewusst. Aber dass es manchmal eben nicht nach dem inneren Wunschplan geht, wird meist erst dann deutlich, wenn der Plan eben nicht nach Plan läuft. Ich erinnere mich in letzter Zeit sehr häufig an die Sätze einer guten Freundin, die sie mir während meiner Schwangerschaft häufiger gesagt hat. Insbesondere immer dann, wenn ich mich wieder einmal über die Dehnungstreifen hier, die schlaflose Nacht da, der Bauch der unter kein T-Shirt mehr passte, besonders am Ende der Schwangerschaft, beschwert habe. "Versuch es trotzdem zu genießen, wer weiß, wann du das nächste Mal wieder das Glück hast, ein Baby in dir wachsen zu lassen." Es soll jetzt nicht der Eindruck vermittelt werden, dass ich meine Schwangerschaft nicht genossen habe. Oh, das habe ich in vollen Zügen. Aber genau so habe ich an manchen Tagen einfach den Entbindungstermin herbeigesehnt. Die letzten Wochen und Tage ziehen sich einfach wie Kaugummi. Wenn ich diesen Satz meiner Freundin damals gehört habe, habe ich ihr oft im Inneren geantwortet : "Ja, in ca. zwei Jahren werde ich es wieder so spüren". Es ist doch nicht unsere letzte Schwangerschaft.

Und dachte schon an das zweite Wunder, was ich gern erleben würde.

Häufiger denn je schwirrt mir der Satz meiner Freundin in den Ohren. Und jetzt weiß ich erst so richtig, was sie damit gemeint hat. Ein paar Monate vor dem ersten Geburtstag unserer Tochter erreichten mich die ersten Nachrichten einiger Krabbelgruppenmütter, dass ihre Sprösslinge bald ein kleines Geschwisterchen bekommen werden. Es wäre gelogen, wenn das nicht auch einen Hauch von Druck auf mich gemacht hätte. "Was? Sie sind schon alle dabei? Sollten mein Mann und ich es auch lieber schon wieder probieren?" Immer in Betracht dessen, dass es ja durchaus auch etwas länger dauern könnte.

Wir entschieden uns dennoch, auf unser Gefühl zu vertrauen. Ganz beruhigt und ohne Druck starteten wir kurz nach dem ersten Geburtstag unserer Tochter. In der Zeit erreichten uns weitere Schwangerschaftsverkündungen und so waren wir uns noch sicherer darin, dass jetzt ein guter Zeitpunkt sei. Wenn es nach unseren Eltern und Schwiegereltern gegangen wären, dann wäre der richtige Zeitpunkt schon viel eher gewesen. Keiner der Parteien hat sich die Frage nach dem Geschwisterchen gespart. Ob es beim kurzen Plausch an der Haustür war und man eigentlich nur schnell das Enkelkind vom Sitten abholen wollte oder auf der Familienfeier am großen Tisch, wo alle gespannt auf deine Antwort warteten. Ich kann euch eine Menge Antwortbeispiele nennen, die ich mir so mit der Zeit ausgedacht und zurechtgereimt habe. Aber damals war es noch mit einem verschmähten Lächeln. Jetzt drehe ich mich einfach weg.

Und ich durfte es erleben.

Und dann im November 2019 hat es wieder geklappt und ich bekam von dem Frauenarzt die freudige Nachricht, dass ich erneut schwanger sei. Ich konnte es gar nicht fassen. Ich war wieder so glücklich und überrascht. Wir haben uns sehr gefreut und es, wie auch schon bei der ersten Schwangerschaft, gleich unseren Eltern und unseren besten Freunden erzählt. Voller Freude kamen in mir natürlich auch Sorgen auf. Konnte man sich nun nicht mehr die Auszeiten nehmen, wie man sie in der ersten Schwangerschaft genossen hat. Es ist ja bereits eine Maus da, die die gleiche gewohnte Aufmerksamkeit wie zuvor bekommen möchte und soll.

Voller Glück genossen wir die erste Zeit und es spielte sich so langsam auch alles ein. Ich bin grundsätzlich ein sehr freudiger Mensch und sehr dankbar für alles Gute. Im gleichen Zuge frage ich mich aber oft, wie lange Glück währt. Dieser pessimistische Optimismus tritt nicht allzu oft auf, aber hin und wieder schon. Genau wie damals, nur ganz selten und kurz. Aber den Haken an der Sache, den gab es tatsächlich.

Zumindest kurzzeitig.

Kurz vor Weihnachten bekam ich morgens starke Unterleibsschmerzen und wenige Stunden darauf eine starke Blutung. Meinen Frauenarzt rief ich schon während der Schmerzen an und fragte nach Rat. Dieser rat mir dazu, sofort ins Krankenhaus zu fahren, sollten Blutungen eintreten. Zwischen Eintreten der Schmerzen, der Blutung und dem Eintreffen im Krankenhaus lagen vier Stunden. Sorgen, Ängste, Kummer. Die kleine Tochter, die dabei ist und den Schmerz erlebt (einen Babysitter konnte ich so spontan nicht finden und mein Mann war noch nicht zu Hause). Ich empfand es als große Leistung in dieser Situation, sicher mit dem Auto ans Ziel zu kommen.

Doch, es war schon zu spät. Ich hatte mein Baby bereits verloren. Ich habe es gespürt, als es losgelassen hat. Das Gefühl kann ich gar nicht genau beschreiben. Wenn ich aber an diesen Tag zurück denke, weiß ich es noch bis in das kleinste Detail. Wie das Gefühl in mir war, als mein Baby losgelassen hat. Ich weiß noch, was ich an dem Tag getragen habe, den Betrag, den ich an der Tankstelle zahlen musste, die Uhrzeit, die auf meinem Parkschein stand. Einfach alles.

Wir entschieden uns dafür, dass wir warten wollten, bis ein natürlicher Abgang einsetzt. Unter ärztlicher Kontrolle setzte dieser wenige Tage später ein. Wie die Zeit danach war, das Weihnachtsfest, das Gespräch mit Familie und Freunden. Das muss ich wahrscheinlich nicht erwähnen. Doch der Arzt im Krankenhaus hat mir Mut gemacht und gesagt, dass wir es bald wieder probieren können. Es würde schon noch wieder klappen. Das sagte er mit einem Lächeln zu uns.

Doch darauf warten wir bis heute.

Auch bei meiner besten Freundin klappte es zu erst nicht.

Zur selben Zeit als wir den zweiten Versuch gestartet haben, haben auch unsere besten Freunde versucht, zum ersten Mal Eltern zu werden. Doch auch bei ihnen wollte sich der zweite Strich auf dem Schwangerschaftstest nicht blau färben. Meine Freundin tat mir immer sehr leid, so war sie doch auch voller Hoffnung und zweifelte nun schon einige Male daran, dass sie überhaupt schwanger werden könne. So sagte sie mir immer, dass ich mich doch glücklich schätzen könne. Ich habe wenigstens schon eine Tochter und weiß, dass es bei uns grundsätzlich klappen kann. Sie hat natürlich nicht Unrecht mit ihrer Aussage, aber der Wunsch nach einem weiteren Kind ist genauso groß wie der ersten Schwangerschaft.

Ich fragte mich immer öfter, wie ich reagieren würde, wenn sie mir eine Schwangerschaft verkündet. Ich wusste, dass der Tag kommen würde. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Wir haben uns gegenseitig aufgebaut, geredet und geweint. Doch nun leide ich seit einigen Monaten gefühlt alleine. Wir saßen zum Geburtstag meiner Freundin gemeinsam beim Essen am Tisch, als sie uns ganz nett mit einem Dessert die Nachricht überbrachte. Ich war diejenige, die die Überraschung vorlesen sollte. Ich weiß gar nicht, wie ich es geschafft habe, diesen Satz ohne Fehler oder Stottern vorgelesen zu haben. Sie ist meine beste Freundin und mein erstes Gefühl war, dass mir schlecht werden würde und ich mich übergeben müsse. Ich habe mich so dermaßen über mich selbst geärgert. Ich entschloss mich, mich zusammen zu reißen, atmete tief durch und fiel ihr in die Arme. Und da kam es, das Gefühl von Wärme, das ich mich wirklich aufrichtig für sie gefreut habe. Den restlichen Abend nippte ich an meinem Getränk und stocherte in meinem Essen, so war mir dennoch der Appetit vergangen. Wieso hat es denn nicht auch bei uns geklappt? Immerhin probieren wir es doch genau so lange. Ist wirklich alles gut bei uns? Was haben die beiden denn anders gemacht? Als ich am Ende des Abends auf meinem Fahrrad saß und nach Hause fuhr, füllten sich meine Augen mit Tränen. Ich konnte kaum noch den Radweg erkennen. Der größte Trost war es, mich in unser warmes Familienbett zu legen und mich an meine schlafwarme Tochter zu kuscheln.

Ich spüre die prüfenden Blicke auf meinen Bauch meist mehrmals die Woche.

Das ist Glück und das weiß ich zu schätzen. Was viele aber nicht schätzen, dass ist der Respekt den Gefühlen und der Situation seines Gegenübers. Manchmal, da sind die Tage so gefühlsverschwommmen, da weiß ich gar nicht, ob mich die Tatsache, dass es nicht klappt, so wütend und traurig macht oder aber die rücksichtslosen Fragen der Menschen aus dem Familien-, Freundes-, oder Fremdenkreis. Die prüfenden Blicke an meinem Oberkörper entlang und wie die Augen dann auf Höhe des Bauches halt machen. Diesen Blick meine ich manchmal mehrmals die Woche wahrzunehmen. "It ́s a food baby", sollte ich mir auf alle Oberteilen drucken lassen. Damit ich zumindest diese Blicke nicht mehr aushalten muss. Ich muss dazu sagen, dass wir in einer Kleinstadt wohnen. Da kennt jeder Jeden und häufig wissen die Nachbarn mehr über dich, als du selbst. Ob es an der Schlange beim Bäcker ist, an der Kasse im Supermarkt, während man den Einkauf auf das Kassenband räumt oder die glückliche Mutter, die ihren hochschwangeren Bauch streichelt und fragt, wann denn das zweite Kind kommt. Viele stellen diese Frage so gleichgültig, als wenn sie sich keinerlei Gedanken über die Antwort machen würden.

So als sei ja nur mit einer positiven Antwort zu rechnen. Ich würde wirklich gerne das Gesicht der Kassiererin sehen, wenn meine Antwort ganz klar ist, dass ich das zweite Kind leider verloren habe. Und ihr wohlmöglich als Ausdruck meines Wutes und meiner Trauer darüber noch die Packung Mehl auf dem Kassenband verschütte. Doch leider fehlt mir dazu bisher der Mut.

Und mir fehlt der Mut dazu, entschlossen auf unangemessene, neugierige Nachfragen zu reagieren.

Wie konnte es eigentlich dazu kommen, dass man Personen, ganz egal wie man zueinander steht, solche intimen Fragen stellt? Man fragt doch auch nicht beim Vorbeigehen danach, ob das Sexualleben erfüllt sei. Aber es ist doch genauso intim, wenn man Paare nach der Kinderplanung fragt. Und nur, weil man ein gesundes Kind zur Welt gebracht hat, heißt es nicht, dass ein zweites Kind selbstverständlich ist. Manchmal überlege ich wirklich zweimal ob ich den Oversize-Pullover nun wirklich anziehe oder nicht. Könnte man denken, ich sei dann wieder schwanger? Und nebenbei konsultiere ich viele Ärzte. Lasse mich abchecken. Und bekomme Hoffnung, um dann doch wieder enttäuscht zu werden. Manchmal möchte ich kurzentschlossen alle so sorgfältig zusammengelegten und auf dem Dachboden verstauten Spielsachen und Kleidungsstücke von meiner Tochter verkaufen und verschenken. Soll nun eine andere Familie damit genau so glücklich werden, wie wir es waren. Von all den Dingen möchte ich mich am liebsten frei machen. Glücklich im Hier und Jetzt sein.

Glücklich bin ich, das steht fest. Aber auch traurig. Auch das steht fest. Ich möchte nicht mehr an jedem Zyklusende bangend auf der Toilette sitzen. Mit Unterleibsziehen und der Sorge, ob gleich Blut am Papier ist oder nicht. Ich wünsche ich mir wieder die Leichtigkeit herbei. Sie ist ganz nah. Es braucht nur das Umschalten im Kopf. Und das ist leichter gesagt, als getan.

Ich muss öfter Kommentare oder Fragen von anderen an mir abprallen lassen. Na und, sehe ich halt schwanger in dem Kleid aus. Ich bin es aber nicht. Ich bewundere Frauen, die das können. Ich weiß, dass es diese Frauen gibt.

Ich weiß aber auch, dass es Frauen wie dich und mich gibt, die gerne zumindest ein bisschen von diesem Mut in solchen Situationen hätten. Die auch einen leichten Tritt in der Magengegend verspüren, wenn die nächste Frau stolz ihre Schwangerschaft verkündet. Die Monat für Monat auf den zweiten blauen Strich auf dem Schwangerschaftstest warten. Manchmal tut es einfach gut, zu wissen, dass man nicht alleine ist. Geteiltes Leid ist eben doch halbes Leid.

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Danke für dein Vertrauen und deinen Mut. Ich hoffe, dass sich euer zweites Wunder ergibt - und du irgendwann der Kassiererin entschlossen gegenüber treten kannst. Vielleicht ohne das mit dem Mehl. :D